Was mich wirklich geführt hat
Wie sich die Weisheit der Kabbala mit einem persönlichen Weg verbinden kann
Es gibt viele Schriften, viele Wege, viele Formen von Weisheit.
Und jede von ihnen hat ihren Platz – zu ihrer Zeit, für den, der gerade sucht.
Auch ich habe über viele Jahre gelesen, gelernt, gelauscht.
Manches hat mich geführt, anderes berührt – vieles durfte sich wieder wandeln.
Doch der tiefste Sinn, der mir zuteil wurde, war kein Gedanke.
Er kam nicht aus einer Lehre – sondern aus der Stille zwischen zwei Atemzügen.
Die Atmung wurde für mich zu einem Kompass.
Nicht nur für Gesundheit oder Ruhe –
sondern für Wahrheit, für Nähe, für einen inneren Ursprung, der nichts fordert und doch alles verwandelt.
Was ich heute weitergeben darf, ist kein System.
Keine Methode, keine Lehre über das Leben.
Es ist eher ein Erinnern –
an das, was in jedem Menschen lebt: eine stille Führung, die nicht gesprochen werden muss.
Ein Weg, der sich im Lauschen zeigt.
Dieser Text ist ein Versuch, genau davon zu erzählen.
Nicht um etwas zu beweisen. Sondern um zu teilen, was in mir lebendig wurde –
damit es vielleicht auch in anderen zu schwingen beginnt.
In meinem Leben haben mich viele Wege berührt. Manche kamen als Lehre, manche als Erfahrung.
Und einige waren so still, dass ich sie erst Jahre später erkannte –
als Spuren, die etwas in mir geöffnet hatten.
Einer dieser Wege ist die Weisheit der Kabbala.
Die Kabbala ist kein religiöses System, keine Theorie, kein Ritual.
Sie bedeutet „Empfangen“ – und wirkt wie eine tiefe Erinnerung:
dass alles, was lebt, von einem Ursprung getragen wird.
Und dass dieser Ursprung Nähe sucht.
Diese Worte stehen in Schriften,
und wer sie liest, erkennt in ihnen eine Ähnlichkeit – zu dem, was innerlich längst gespürt wurde.
Ich habe die Lehren von Baal HaSulam und Rabash viele Jahre studiert – und ich bin dafür dankbar.
Denn sie sprechen nicht von Moral, sondern von innerer Ordnung.
Von einem Weg, der nicht vorschreibt, sondern erinnert.
Von einem inneren Glauben, der nicht behauptet, sondern trägt.
Eine Verbindung, die sich erneuert – durch die innere Bereitschaft zu Empfangen.
Und dieses Empfangen beginnt oft in einem Mangel.
In einer stillen Bereitschaft,
die in einem Menschen heranreift, wenn er beginnt, sich wieder zu öffnen für das, was schon immer in ihm war.
Doch mein Weg ist nicht der einer bestimmten Schule.
Ich habe nie gelernt, mich zu binden, wenn die Bindung das Hören stört.
Ich glaube, dass es Menschen gibt, die erst dann wirklich verstehen, wenn sie die Worte bis auf ihren Ursprung zurück hören dürfen –frei, aufmerksam, in sich selbst.
Ich habe viele Jahre Menschen im Atmen begleitet.
Und das Atmen ist für mich mehr als eine Technik:
Es ist ein Tor – durch das das Empfangen, von dem die Kabbala spricht, als Erfahrung geschieht.
Der Atem urteilt nicht.
Er trennt nicht in „richtig“ und „falsch“.
Er wartet, bis der Mensch innerlich bereit ist, empfangen zu wollen –
und loszulassen, was sich dazwischengelegt hat.
So ist es auch mit der Lehre:
Sie darf ein Gefäß sein,
aber sie wird erst dann lebendig,
wenn sie zur Bewegung wird –
zur inneren Ordnung zwischen Geben und Empfangen, zwischen Nähe und Freiheit, zwischen Hören und Antwort.
Ich glaube, dass jeder Mensch einen Zugang zur Wahrheit in sich trägt.
Das ist nicht nur meine Meinung. Und auch kein Besitz.
Es ist eher ein stilles Empfinden, das mich über viele Jahre begleitet hat.
Ein Eindruck – oder vielleicht eine Erinnerung – dass in jedem Menschen eine Art Frage wohnt.
Keine, die man einfach beantworten kann. Sondern eine, die gehört werden will.
Eine Frage, die sich nicht mit Wissen zufrieden gibt, sondern nach etwas Tieferem ruft.
Ich habe sie in mir selbst oft gespürt – die zu Gedanken gereift sind und Bewegung im Inneren ausgelöst haben.
Manchmal waren sie stark, manchmal kaum wahrnehmbar.
Aber sie waren nie ganz verschwunden.
Und in der Begleitung anderer Menschen konnte ich ähnliche Regungen sehen:
Ein Blick, ein Satz, eine Stille – in der plötzlich etwas aufschien, das vorher keinen Namen hatte.
Etwas Echtes. Etwas Wahres.
Als Inhalt der eigenen Gegenwart.
Vielleicht ist es genau das, was Wahrheit für mich bedeutet:
Kein Besitz, keine Sicherheit – sondern eine stille Bereitschaft, dem zu lauschen, was tiefer spricht
als Worte es können.
Und genau darum geht es mir:
Nicht ein System zu vertreten, sondern einen Raum zu öffnen, in dem Wahrheit nicht gelehrt,
sondern erinnert wird.
Ein dritter Weg also –
zwischen den Strukturen der Lehre und der völligen Auflösung ins Beliebige.
Ein Weg, der das Heilige achtet, aber frei bleibt im Hören.
Ein Weg, der aus der Kabbala das empfängt,
was wirklich trägt:
Die Erkenntnis, dass das Verlangen selbst ein Werkzeug der Wandlung ist – und dass nichts anderes geschieht, als dass wir lernen, empfangend zu werden.
So darf jeder Mensch seinem Maß folgen:
In Gemeinschaft oder allein,
im stillen Studieren oder im gelebten Alltag, im Gespräch oder im Schweigen.
Was zählt, ist nicht die Form.
Sondern der Ursprung, zu dem sie uns führen möchte.
Ein Ursprung, der weder gelehrt noch bewiesen werden kann –
aber sich zeigt, wenn Nähe geschieht.
Der innere Lehrer – Atem, Anemosophie und die Weisheit der Kabbala
Ein Weg zwischen Erinnerung und Gegenwart
In all den Jahren, in denen ich mit Menschen gearbeitet habe,
war mir eines immer besonders nah:
Dass jeder Mensch bereits in sich trägt, was er sucht.
Nicht sein Wissen. Sondern als eine Stimme, die sich erst zeigt, wenn es still wird.
Diese Stimme ist kein Gedanke, keine Meinung – sie ist der innere Lehrer.
Ein Lehrer, der nicht belehrt.
Sondern erinnert.
Er zeigt sich nicht auf der Bühne,
sondern zwischen den Atemzügen.
Dort, wo man beginnt, sich nicht mehr zu fragen, was richtig oder falsch ist – sondern wo man spürt,
was sich echt anfühlt.
Was sich öffnet.
Was trägt.
Für mich ist dieser innere Lehrer untrennbar mit dem Atem verbunden.
Denn der Atem ist kein Werkzeug, das wir benutzen – in seinen verschiedenen Frequenzen und Rhythmen ist er ein Geschehen, das uns formt.
Er bringt uns nichts bei.
Aber er führt uns dorthin zurück,
wo wir anfangen nach innen zu hören.
Diese Art des Hörens, des inneren Spürens, ist das Herz der Anemosophie.
Anemosophie – das ist kein System, keine Methode.
Es ist die Weisheit, die im Atmen selbst liegt.
Eine Weisheit, die nicht aus Büchern stammt, sondern aus der Beziehung zwischen Mensch und Leben.
Zwischen dem, was empfangen wird – und dem, was sich geben will.
Und genau hier berührt sich etwas mit der Kabbala.
Denn auch in der Kabbala geht es – im tiefsten Sinn – um das Empfangen.
Nicht um Theorien über Gott oder Schöpfung.
Sondern um das Verlangen des Menschen, in Übereinstimmung zu kommen mit einer Ordnung, die größer ist als er selbst – und doch in ihm wohnt.
Die Kabbalisten sagen:
„Es gibt nichts in der Realität außer dem Verlangen zu empfangen.“
Und das Verlangen selbst – wenn es sich wandelt – wird zur Übereinstimmung mit dem Ursprung.
Was für mich die Kabbala lehrt, findet in der Anemosophie seinen Atem.
Was dort als Struktur beschrieben wird – die vier Phasen des Lichts,
das Geben und Empfangen,
die spirituelle Ordnung – zeigt sich hier als unmittelbare Erfahrung:
im Einatmen, im Ausatmen,
im Lauschen, im Zulassen,
im Sich-berühren-lassen.
Man muss dafür keine Begriffe lernen.
Man muss nicht in einer Schule sitzen.
Was es braucht, ist Bereitschaft:
sich selbst nicht mehr zu formen, sondern sich atmen zu lassen –
und dabei still zu werden für das, was spricht, ohne Worte zu brauchen.
Der innere Lehrer, der Atem, die Anemosophie – sie führen nicht weg von der Kabbala.
Sondern sie lassen ihre Tiefe hörbar werden, auch für die, die keine hebräischen Buchstaben lesen,
und auch für die, die ihren Weg nicht in Gruppen oder Studienhäusern gehen.
Sie machen die Kabbala nicht kleiner – sondern bringen sie in den Moment.
In das Erleben.
In das Menschsein selbst.
Denn dort – und nur dort – kann das Höhere berühren,
was bereit ist, empfangen zu werden.