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 Der Atem beginnt nicht mit Technik- sondern mit dem Erkennen einer Schwelle

Zuerst wirst du aufmerksam – nicht unbedingt durch dich selbst, sondern durch etwas im Außen.

Vielleicht durch eine Krankheit, einen Erschöpfungsmoment, eine Begegnung.
Und so beginnt es – wie beim Erlernen des Einmaleins – mit Technik.
Mit Methode, mit einer Übung, mit einer Ordnung, die dir hilft, das Zuviel im Alltag zu bündeln.
Doch je länger du dabeibleibst, desto spürbarer wird:
Technik trägt dich nur eine gewisse Strecke. Sie wird anstrengend – nicht, weil sie falsch ist, sondern weil sie zu wenig fragt.

Erst wenn du bereit bist, nicht nur zu üben, sondern zu lauschen – beginnt sich etwas zu verändern.
Die Achtsamkeit vertieft sich.
Ein leiseres Verstehen tritt ein:
Du atmest nicht – du wirst geatmet.
In diesem Moment wandelt sich alles.
Die Atmung verliert ihren Zweck – und findet ihre Tiefe.
Sie wird nicht mehr trainiert, sondern empfunden.
Nicht mehr gemacht, sondern empfangen.
Und dann spürst du:
Was auch immer dich atmet – es hat Sinn.
Nicht weil du es steuerst, sondern weil du beginnst, dich führen zu lassen.

Was ich heute lehre – wenn man es überhaupt so nennen kann –
geht weit über das hinaus, was man gewöhnlich unter „Atemarbeit“ versteht.
Es geht mir nicht nur um Techniken.
Nicht um Verbesserung, Selbstoptimierung oder Disziplin.

Es geht um Rückkehr.
Um eine Aufmerksamkeit, die dorthin zurückfließt, wo sie sich einst gelöst hat.
Oft braucht es dafür einen Impuls von außen:
Ein Einschnitt. Eine Störung. Ein Mensch, der eine Saite in dir berührt, die lange still war.
Wenn Menschen zu mir kommen – in eine Einzelbegleitung, ein Seminar, ein Gespräch – ist der erste Schritt oft kein Atmen.

Sondern das Erkennen eines Widerstands.
Vom Kopf her ist vielen klar: Atmen ist wichtig und gesund.
Doch wenn es in Handlung übergeht, spüren sie:
Sich atmen zu lassen, ist schwerer, als gedacht.

Der Körper wird müde.
Der Geist zweifelt.
Der Sinn beginnt zu entgleiten.
Was vorher doch so selbstverständlich war – nur einfach zu atmen –
wird zu einer inneren Schwelle von Widerständen.

Eine Bewegung, die immer so selbstverständlich war, beginnt jetzt Fragen zu stellen:
Bin ich es, der atmet –
oder werde ich geatmet?

Und dort, wo vorher nur Funktion war, öffnet sich eine Möglichkeit nach innen zu schauen.

Doch der Körper reagiert zuerst, nach seinen Widerständen und Muster.
Manche schlafen ein.
Die Nase schließt sich.
Ein Kribbeln entsteht – unangenehm, irritierend, fast
beängstigend.
Manche berichten von innerer Unruhe, von Bildern, die auftauchen, von Erinnerungen, die sich zeigen wollen – obwohl sie doch „nur atmen“ wollten.

Aber genau hier liegt etwas Kostbares:
Der Widerstand ist kein Hindernis.
Er ist eine Schwelle.
Ein stiller Hinweis:
Hier wartet etwas auf dich.
Und diese Schwelle wird nicht mit Kraft durchbrochen,
sondern mit Einsicht betreten.

Einsicht heißt:
Ich lasse zu, das es atmet.

Ich lasse mich atmen.
Auch durch das, was eng ist.
Auch durch das, was sich schließt.
Auch durch das, was nie gesagt wurde.

Und plötzlich wird spürbar:
Es geht nicht um Technik.
Es geht um Beziehung – zwischen dem, was mich atmet,
und dem, was bereit ist, zu empfangen.

Ein Arzt, ein Therapeut, der mit dem Atem arbeitet,
berührt nicht nur die Lunge oder das Zwerchfell – er fordert etwas Tieferes heraus: die Bereitschaft, Kontrolle aufzugeben.
die Erlaubnis, sich zu öffnen, die Einsicht, dass Atmung nicht gemacht werden kann – sondern geschehen will, wenn ich bereit bin.

Rhythmus und die verschiedenen Frequenzen entstehen nicht im Kopf.
Sie werden nicht gedacht.
Sie kommen aus einem Ort, der tiefer liegt als jedes Konzept.

Und wenn daraus ein Modell wird – eine Ordnung, ein Weg –
dann ist das kein Verdienst.
Sondern ein Geschenk.
Ein leiser Ruf, dem jemand gefolgt ist.
Ein Wunder, das geschehen durfte, weil jemand bereit war zu lauschen.

Dann ist es kein Seminar im üblichen Sinn.
Sondern ein stilles Gespräch.
Eine Begegnung – mit sich selbst.
Mit dem, was trägt.
Mit dem, was atmet.

Die Atmung wird zu einem Kompass.
Auf dem Weg nach Hause.

„Der Atem ist der Weg zur Stille,
und die Stille ist das Zuhause des Atems.
Im einem wohnt das Werden –
Im anderen das Sein.“
Anemosophie die Ordnung
in der Weisheit des Atems