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 von der leisen Seele zum lauten Turm

Weißt du, ich denke manchmal:
Wenn die Seele wirklich leise den Körper bewohnt, dann hat sich der Mensch irgendwann ziemlich laut über sie hinweggebaut.
Früher sprach man von Seelenkunde – nicht als Theorie, sondern als Erfahrung.
Man kannte das Seufzen der Seele, das Atmen, das Lauschen.
Doch irgendwann wurde aus der Seelenkunde Psychologie, aus dem inneren Spüren ein äußerliches Messen,
aus dem Lauschen eine Methode.
Vielleicht war das gar kein böser Wille – vielleicht dachten wir einfach: 

„Wenn wir schon fühlen, dann bitte mit System.“

Und so bauten wir.
Nicht nur Schulen und Begriffe – sondern ein ganzes Denkgebäude darüber,
wie der Mensch zu funktionieren hat.
Ein bisschen so wie beim Turmbau zu Babel:
Ein großes Projekt.
Viele gute Ideen.
Und am Ende: Verwirrung.

Nicht, weil wir zu wenig wussten – sondern weil wir aufgehört haben, zu hören.
Denn während wir oben weiterplanten, hat die Seele unten schon leise weitergeatmet – unbeeindruckt von unseren Plänen.

Und genau dort setzt das nächste Kapitel an:
Nicht bei der Frage, wie man höher kommt, sondern bei der Frage, wann wir aufgehört haben, innen zu wohnen.

Ein Gespräch über Babel – und was dabei in uns geschehen ist.

Dann frage ich mich, wann das eigentlich begann – dieser Moment, in dem wir aufgehört haben, das Wesentliche im Inneren zu suchen. Vielleicht war es nicht plötzlich, eher ein allmähliches Verschieben. Früher war das Heilige etwas Stilles. Etwas, das man im Herzen spüren konnte – nicht so laut, nicht sichtbar, aber da.

Vielleicht kam dann der Wunsch, es begreifbar zu machen. Vielleicht war das der Punkt, den man 

„Turmbau zu Babel“ nennt. 

Für mich ist das kein Ort, sondern eher ein Zustand: der Moment, in dem wir das Innere ins Äußere verlagerten.

Was früher ein Empfinden war, wurde zu einer Methode.
Was früher aus dem Stillwerden kam, wurde zu einer Technik.
Was früher Beziehung war, wurde zu System.

Und mit diesem Wechsel ging etwas verloren – nicht das Wissen, das wurde mehr. Sondern das Verstehen. Die Sprache zwischen den Menschen veränderte sich. Nicht nur die Worte, sondern das Zuhören. Und das Miteinander.
Es wurde viel geredet – aber wenig verstanden.
Viel gebaut – aber wenig verbunden.
Viel gewusst – aber kaum noch gespürt.

Was früher durch das Herz ging, geht heute oft über Konzepte, Theorien, Systeme. Daran ist nichts falsch – aber manchmal fehlt etwas. Etwas Lebendiges. Etwas, das sich nicht erklären lässt, aber spürbar ist.
Und doch gibt es da etwas in uns, das sich meldet. Kein lauter Weckruf – eher ein Erinnern. Eine innere Stimme, die nicht drängt, sondern wartet.

Vielleicht erinnert sie uns daran, dass das Eigentliche nicht gemacht wird. Dass es nicht entsteht, weil man es will – sondern weil man Raum dafür lässt.

Dass das Licht nicht heller wird durch Wissen – sondern durch Nähe.
Dass der Weg nicht von außen gezeichnet wird – sondern innen beginnt.
Und dass der Atem – dieser einfache, leise Vorgang – nicht nur eine Technik ist,
sondern vielleicht das erste, was uns mit dem Leben verbunden hat.

Genesis 2,7:

„Da formte der HERR, Gott, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens – und so wurde der Mensch eine lebendige Seele.“

In dieser Geste – ein göttlicher Ausatem – liegt nicht einfach das Leben als biologischer Vorgang,
sondern die erste Beziehung.

Das ist vielleicht das tiefste Gleichnis:
Dass der Atem des Menschen die Spur des göttlichen Atems trägt –
und durch ihn die ganze Schöpfung immer wieder neu beginnt.