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Notizen zum Artikel - Bewusstsein

Wenn ich heute Gespräche beobachte – in Gruppen, in Begegnungen, im Alltag –,
sehe ich, wie schwer es fällt, in wirkliche Übereinstimmung zu kommen.
Oft fehlt die stille Absicht, die den Raum öffnet für ein echtes Verstehen –
und das Zuhören wird schwer, weil viele Worte schon für sich sprechen wollen,
bevor sie empfangen haben.

Es wird viel gesagt, doch wenig gehört.
Man hört oft nur das, was man hören möchte – vergleicht, bewertet, denkt voraus –
und verliert dabei den leisen Sinn, der im Dazwischen ruht.
Wir glauben, dass Worte genügen müssten, um zu erklären, was in einem Menschen geschieht.

Doch mit der Zeit wurde mir etwas anderes deutlich:
Viele Aussagen tragen eine Sprache, die sich wie von selbst formt – aus Mustern, Floskeln, Erwartungen.
Sie klingt vertraut, aber berührt nicht mehr.
Sie schafft mehr Verwirrung als Verstehen – wie eine leise Wiederholung der babylonischen Sprachverwirrung.

Es sind Worte, gesellschaftlich anerkannt, scheinbar bedeutungsvoll:
„Bewusstsein, Wahrheit, Liebe, Spiritualität, Absicht …“
Begriffe, die überall auftauchen – in Gesprächen, in Kursen, in Texten – und doch oft eher verwendet werden, um sich zu zeigen, zu rechtfertigen, zu erklären.
Manchmal auch, um zu bedecken, was sich noch nicht zeigen will.

Heute denke ich:
Worte brauchen einen Raum, in dem sie gehört werden können – nicht als Behauptung, sondern als Beziehung. Sie brauchen Stille, um Wurzeln zu schlagen.
Erst dann beginnen sie zu tragen – und verbinden sich mit etwas, das größer ist als die eigene Stimme.

Ich möchte diesen Begriff „Bewusstsein“ wieder entkleiden – von Moden, von Zuschreibungen wie Zustand, Besitz oder Eigenschaft, von esoterischer wie wissenschaftlicher Vereinnahmung – und ihn zurückführen an seinen Ursprung:
als einen Raum, in dem das Spüren, das Fragen, das Lauschen und das Verstehen geschehen dürfen.

Ohne Behauptung.
Ohne Technik.
Ohne Besitzanspruch.

Das ist der Wandel:
Vom inflationären Schlagwort – zum inneren Ort, an dem Leben sich still erinnert.
Und vielleicht ist es genau dieser Ort, der in einem alten Bild aufbewahrt ist:

Als der Schöpfer den aus Lehm geformten Körper mit dem Odem des Lebens berührte, geschah etwas, das sich nicht benennen lässt – aber alles verwandelt.

Zwischen dem Ausatmen des Schöpfers und dem ersten Einatmen des Menschen entstand ein Raum.
Ein Raum, der gefüllt war mit dem Ursprung des göttlichen Gedankens, der alles ins Leben ruft.
Ein Zwischen – in dem das Empfangene zur lebendigen Seele wurde.

Vielleicht liegt genau in diesem Zwischenraum das, was wir suchen.
Nicht im Einatmen. Nicht im Ausatmen. - Sondern in der stillen Schnittstelle dazwischen – wo der göttliche Gedanke sich entfaltet und der Mensch sich erinnern darf, dass er geboren wurde, mit dem Verlangen, um zu empfangen.

Wenn der Mensch achtsam einatmet,
kehrt er – ohne es zu wissen – zum Ursprung zurück.
Er berührt den ersten Gedanken der Schöpfung, das stille Verlangen, dass Leben werde.

Und wenn er achtsam ausatmet,
antwortet er – wie ein Echo auf das göttliche Geben.

So trägt der Atemrhythmus des Menschen den gesamten Schöpfungsplan in sich,
als Bewegung – zwischen Gabe und Antwort – Nehmen und Geben.

Und vielleicht ist es genau dieser Zwischenraum – diese stille Gegenwart – in der alles möglich ist.
Ein Raum, in dem Leben nicht gedacht, sondern empfangen wird.
Ein unverfügbarer Raum, in dem das Verborgene geschieht.

Ich habe lange geglaubt, dass Worte genügen müssen, um zu erklären, was in mir geschieht.
Doch heute weiß ich: Worte brauchen einen Raum, in dem sie gehört werden können.
Nicht als Behauptung – sondern als Einladung.
Nicht als Wissen – sondern als Beziehung.

Wie könnte ich dem Wort „Bewusstsein“ die Schuld geben,
wenn ich es selbst mit Bedeutungen überladen habe,
die mehr suchten als empfingen?

Bemerkung zu den beiden Texten.

Mit „unverfügbar“ meine ich in dem Kontext den Raum,
– den Raum, in dem sich Stille ereignet,
– in dem Atem nicht gemacht, sondern empfangen wird,
– in dem das Wort „Bewusstsein“ nicht als Besitz oder Zustände erscheinen, sondern als Raum wo Zustände stattfinden,
– den Raum zwischen Ein- und Ausatmen,
– den Raum zwischen dem göttlichen Geben und dem menschlichen Empfangen.

Unverfügbar heißt hier nicht, dass er „fern“ ist – sondern dass er nicht kontrollierbar ist.
Er zeigt sich nicht durch Wollen, Verstehen oder Technik,
sondern durch Bereitschaft, Stille und Beziehung.

Man könnte sagen:
Der unverfügbare Raum ist der ursprüngliche Ort, an dem sich das Leben schenkt,
ohne sich jemals besitzen zu lassen.

Er ist wie der Atem selbst:
Du kannst ihn spüren, wie es dich atmet, - du kannst dich ihm nähern, doch sobald du ihn festhalten willst, verschwindet er.

Das Wort „unverfügbar“ hilft also, den Unterschied zwischen Machen und Empfangen,
zwischen Besitz und Beziehung, zwischen Technik und Hingabe zu markieren.