Der Atem –
eine vergessene Sprache der Seele
Es geschieht nicht oft. Aber manchmal – in einem stillen Moment – merke ich, dass ich geatmet werde.
Nicht von mir aus. Vielleicht sogar als Technik.
Mit einer Kraft, die älter ist als mein Denken und näher als mein Herzschlag.
Dann spüre ich:
Das mein Atem nicht bloß ein Vorgang ist. Er ist vielleicht eine verborgene Sprache, meine Sprache
Vielleicht die älteste, die tiefste, die der Seele am nächsten kommt.
In der Seelenkunde war der Atem nie nur Lunge, nie nur Sauerstoff.
Er war immer: Ein besonderer Übergang.
Ein Kommen und Gehen. Ein Empfangen – und ein Geben.
Ein Erinnern an etwas, das wir nie ganz vergessen haben.
Der Atem bringt das Unsichtbare in Bewegung.
Er verbindet mich mit etwas, das sich meinem Zugriff entzieht –
aber mir zugleich alles schenkt, was ich brauche.
Dann beginne ich zu erkennen:
Jede Einatmung ist eine Zustimmung.
Ein leises „Ja“ zum Leben.
Nicht laut. Nicht sichtbar.
Aber echt.
Und jede Ausatmung:
Es ist wie ein Freiwerden.
Ein Vertrauen darauf,
dass ich nichts festhalten muss, um zu sein.
Wenn ich als Mensch im Schmerz bin, wenn Muster mich gefangen halten, wenn Gedanken sich verhärten – dann ist der Atem nicht nur eine Brücke. Er kann zu einem stillen Ort werden, an dem sich das Innen neu ordnen kann.
Nicht durch Denken, sondern durch Spüren.
Nicht durch Kontrolle, sondern durch ein leises Mitgehen.
Was ich dabei auch gelernt habe, dass der Atem mich an Orte führt, wo Worte schweigen.
Wo keine Methode greift.
Wo nur der Raum bleibt, der mich atmet.
Vielleicht ist genau das die vergessene Würde der Seelenkunde:
Dass ich vielleicht in einem Atemzug mehr erkenne als in vielen Analysen.
Nicht weil ich es besser „weiß“ –
sondern weil ich erfahre.