Atemschule-online 
 

Muster –
die Bewegung unter der Oberfläche


Oft fühlt sich der Alltag geordnet an – doch dann geschieht etwas:
Ein Gefühl steigt auf.
Eine Geste aus der Tiefe.
Ein Reflex, der schneller wirkt als mein Denken.
Etwas bewegt sich in mir – noch bevor ich es benennen kann.
Ich erkenne darin Bewegungen, die wie alte Linien durch mein Inneres ziehen – Schattenrisse einer Landschaft, die ich lange nicht betreten habe.

Vielleicht war es einst ein Schutz,
ein innerer Versuch, Halt zu finden.

Und jetzt – zeigt es sich erneut, weil etwas in mir erinnert werden will.
Es fühlt sich an, als käme eine frühere Geste zurück – es überlagert den Moment um gehört zu werden.
Manchmal fühlt es sich wie ein Vorwurf an, aber meistens, wie eine leise Bitte, jetzt gesehen zu werden.
Das ist der Punkt, an dem Heilung nicht durch Vermeidung geschieht,
sondern durch ein inneres Anhalten:

ein stilles Lauschen, ein Mitgehen,
ein stilles „Ja“ zu dem, was sich zeigt.
Diese Muster brauchen keine Bewertung für das Vergangene –
sie sind Bewegungen, die sich nach Wandlung sehnen.
Muster sind alte Antworten. Von mir gelernt, um mich zu schützen, zu ordnen, zu überleben.
Sie waren einmal hilfreich.
Und in gewisser Weise treu.

Doch je mehr das Leben sich wandelt, desto mehr zeigen sie ihre Begrenzung.
Ein Muster fragt nicht, ob die Situation noch dieselbe ist.
Es antwortet einfach.
Es zieht mich zurück in alte Wege –
auch wenn ich längst neue gehen könnte.

In der Seelenkunde werden Muster nicht bekämpft, sondern befragt.
Nicht bewertet, sondern betrachtet
wie Gäste, die lange in mir gewohnt haben – und vielleicht nur darauf warten, dass ich ihnen endlich zuhöre.
Es ist ein altes Versprechen,
das neu verstanden werden will.

Manche Muster tragen den Klang einer frühen Angst.
Andere sind Ausdruck eines stillen Mangels – nach Nähe, nach Bestätigung, nach einem „Ich sehe dich“.

Und manchmal
zeigt sich unter dem Muster ein Kind: verletzlich, offen, bereit zu vertrauen, wenn der Raum dafür sicher ist.
So wird das Muster zu einem Spiegel – einer inneren Bekenntnis,
die keine Abwehr mehr sucht,
sondern eine leise Offenbarung trägt:
Ich brauche es nicht zu verurteilen,
denn es zeigt mir, wo ich mich erinnern darf.

Erinnern an eine Zeit, in der ich noch nicht wusste, wie ich mich schützen soll – und eine Bewegung wählte,
die mich heute wieder berührt.
Als eine innere Spur, für eine Möglichkeit, tiefer zu verstehen,
was in mir nach Heilung ruft.
Dass ich kein Reflex bestimmter Eigenschaften bin, sondern ein Wesen, das immer wieder neu erkennen und antworten darf –
aus Tiefe, aus Mitgefühl, aus einer Würde, die unterhalb des Musters auf mich wartet.