Atemschule-online 
 

Vom Verhalten zur inneren Bewegung

Früher sprach man von Tugenden, von Charakter, von innerer Reifung.
Heute sprechen wir von „Verhaltensmustern“, von „Triggern“, von „Selbstregulation“.
Die Begriffe haben sich verändert – aber das, was uns im Innersten bewegt, ist geblieben.

Ich habe gelernt, mein Verhalten zu beobachten.
Meine Reaktionen, meine Muster, meine Strategien.
Doch ich ahne: Darunter liegt etwas, das tiefer reicht.
Etwas, das sich nicht „ändern“ lässt – sondern gesehen werden will.
Verhalten ist nicht nur das, was ich tue.
Verhalten ist oft eine Sprache – die von etwas spricht, das ich noch nicht klar verstehe.
Ein innerer Schmerz, eine alte Geste, ein Echo aus etwas, das mir näher ist als mein Denken.
Ich sehe es bei mir – wie sich alte Bewegungen wiederholen,
obwohl ich „es besser weiß“.

Wie ich in Beziehungen handle – nicht aus Freiheit, sondern aus Schutz.
Genauso sehe ich, wie mein Rückzug sich tarnt als Gelassenheit.
Wie oft sich meine Kontrolle maskiert als Fürsorge.
Und wie oft mein Lächeln, manchmal ein Ort ist, wo meine tiefe Trauer schweigt.

Und dennoch:
Ich bin nicht falsch.
Ich bin nicht krank.
Ich bin ein Wesen in Bewegung – auf dem Weg, mich selbst zu erinnern.

Die Seelenkunde fragt nicht:
„Wie kann ich dieses Verhalten loswerden?“
Sondern:
„Was will sich hier durch mich zeigen?“
„Was will endlich berührt, ausgehalten und durchdrungen werden – und nicht nur analysiert – werden?“

So empfinde ich mein Verhalten zur Einladung.
Nicht zur Optimierung – sondern zur Begegnung.
Und manchmal genügt ein Atemzug,
in dem ich nicht fliehe und mich zurückziehe – sondern bleibe, aushalte und in der Stille lausche.
Denn hinter jedem Muster verbirgt sich ein Mensch, der gelernt hat zu überleben.
Und unter dem Überleben:
ein leiser Ruf nach Leben.